04.11.2020

Wie wir in Zukunft wohnen: Interview mit Trend- und Zukunftsforscherin Oona Horx-Strathern

Die gebürtige Londonerin Oona Horx-Strathern arbeitet als Trend- und Zukunftsforscherin, Autorin, Beraterin und Journalistin. Dabei befasst sie sich unter anderem für das Zukunftsinstitut, welches sie gemeinsam mit ihrem Mann Matthias Horx vor über 20 Jahren gründete, mit den Themen Wohnen, Stadt und Architektur.

 

Im Interview erläutert sie, was die Gründe für den ständigen Wandel sind, wie das Wohnen der Zukunft aussehen könnte und wie Wohnungsbauunternehmen aktuelle Trends und Entwicklungen für sich nutzen sollten.

Zukunftsforscherin Oona Horx-Strathern

Als Trendforscherin beobachten Sie Veränderungen in der Gesellschaft und erforschen das Morgen und Übermorgen. Auch der Bereich des Bauens und Wohnens unterliegt einem ständigen Wandel. Was sind die Gründe für derartige Veränderungen?

Es geht um die Megatrends - grundlegenden soziodemografischen Änderungen, die sich mal stärker, mal schwächer zeigen - aber die stets präsent sind. Ein Beispiel: der Megatrend Konnektivität, also die Sehnsucht nach echter zwischenmenschlicher Verbindung im Zeitalter der Individualisierung.

 

Welche Trends sind Ihrer Meinung nach für diese Branche ausschlaggebend?

Wir existieren mittlerweile in einer enorm individualistischen Gesellschaft, und Megatrend Individualisierung zeigt das wir erleben einen unglaublichen Anstieg von Personen, die sich für ein Leben als Single entscheiden und alleine in kleinen Wohnungen leben. Noch dazu sind Megatrend Mobilität, Neo Ökologie und New Work ganz wichtig.

 

Welche Veränderungen lassen sich in Folge dieser Trends bereits beobachten?

Flexibilität und Anpassungsfähigkeit werden der Schlüssel sein für die Einrichtung und die Grundrisse unserer Wohnungen. Ich denke auch, dass die Zeit des Homeoffice – oder „Hoffice“ wie ich es auch gerne nenne – ist nun endlich doch noch gekommen. Es wird zum festen Bestandteil unserer Arbeitswelt werden und hat einen großen Einfluss auf unserer Wohnungen.

 

Wie sieht das Wohnen der Zukunft aus?

Mit Garten, Balkon oder Terrasse war die Coronakrise deutlich leichter zu ertragen – private Outdoor-Flächen wurden zum Mittelpunkt des Lebens. Diese Neubelebung verschiebt den Fokus beim Wohnungsbau. Denn jeder Mensch braucht privaten Raum unter freiem Himmel. Auf den Punkt gebracht : “A balcony makes a home free”.
Nehmen wir auch das Thema Ökologie. Wir merken im Bereich Wohnen und Bauen, dass es substanzielle Veränderungen gibt. Der Wunsch nach Möbeln zum Beispiel, die länger halten, die eine Geschichte erzählen, spiegelt auch den Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit, nach einer Alternative zur sogenannten Wegwerf-Ökonomie. Und wenn eine Hotelkette wie Hilton jetzt die ersten veganen Hotelzimmer anbietet, die komplett auf Leder, Federn oder Seide verzichten, ist das ein weiteres Indiz, dass sich auch im Markt etwas verändert. Auf der Stadtebene spüren wir den Wunsch nach mehr Gemeinsamkeit im unmittelbaren Wohnumfeld, die Sehnsucht nach einem neuen Heimatbegriff im urbanen Umfeld. Vertical Village nennen wir diese Trend - ein art Individualistische Gemeinschaft.

 

Wie können Wohnungsbauunternehmen diese Trends und Entwicklungen für sich nutzen?

Die Krise stellt ja auf sehr vielen Ebenen eine enorme Herausforderung für uns dar. Wir stellen vieles infrage, sind gezwungen, uns mit Ideen und Trends zu beschäftigen, die wir lange ignoriert oder unterdrückt haben. Jetzt sollten wir die Chance nehmen uns neu zu orientieren - unsere Wohnungen neu zu entwerfen und zu planen und ein neue Wertschätzung zu finden. Der Philosoph Gershom Sholem spricht von der "Plastischen Zeit". Jenen "Schlüsselmomenten, in denen es möglich wird, zu handeln, weil alles in volatilem Fluss ist. Wenn man DANN handelt, passiert etwas. Aber nichts passiert, wenn man sich nicht bewegt."

 

// Home Report 2021 - Zukunft des Wohnens und Bauens erhältlich via Zukunftsinstitut.de 
Der Home Report 2021 bietet ArchitektInnen, DesignerInnen, PlanerInnen und MöbelherstellerInnen eine Grundlage für Zukunftsentscheidungen, insbesondere in Bezug auf durch die Corona-Krise herbeigeführten Veränderungen. Neue Bautechniken spielen ebenso eine Rolle wie alternative Wohnmodelle, nachhaltige Materialien und die Wohntrends 2021.

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