28.06.2021

Kann Digitalisierung wirklich nachhaltig sein?

Eine nachhaltige Digitalisierung kann nur gelingen, wenn darauf vertraut wird, dass sich unser Leben durch die Digitalisierung auch signifikant verbessert. Wir können das Geschehen beeinflussen und die Dinge in der Hand behalten, wenn es uns gelingt, den gegenwärtigen und künftigen Herausforderungen mit einer entsprechenden digitalen Mündigkeit zu begegnen.

Voraussetzungen einer nachhaltigen Digitalisierung

Das bedeutet allerdings auch, sich rechtzeitig mit Risiken und Auswirkungen zu befassen. Was benötigt wird, ist ein reflektierter und ehrlicher Umgang mit dem Thema Digitalisierung – in der Mitte der Gesellschaft und nicht an den Rändern. Eine nachhaltige Digitalisierung erfordert zudem eine Trennung und Neubestimmung von bestehenden Denkmodellen, die Betrachtung von Geschäftsmodellen und wie diese bisher betrieben wurden, aber auch ein tiefgreifendes Wissen und Verständnis im Management, neue Entwicklungen zu ermöglichen. Im Kontext der Politik setzt nachhaltige Digitalisierung voraus, dass sich alle Ressorts der Bundesregierung die Ziele der Digitalagenda zu eigen machen.

Der Blick auf die Effekte von bestimmten Lösungen wie Smart Home-Systemen zeigt vor allem die positiven Seiten der Digitalisierung – besonders beim nachhaltigen Einsatz von Energie. Allerdings führt die fortschreitende Digitalisierung auch dazu, dass immer mehr Daten angehäuft und verschickt werden. In Deutschland werden täglich über eine Milliarde E-Mails versendet. „Dabei werden auch Dateien beigefügt, die sich dadurch immer wieder vervielfachen und riesige Mengen von Speicherplatz benötigen. Wir bekommen davon nur nichts mit, da dies ja alles bequem an einem anderen Ort, nämlich in riesigen Rechenzentren passiert“, sagt Matthias Schäpers, Leiter für Nachhaltigkeit und Wohngesundes Bauen der Krieger + Schramm Unternehmensgruppe und Klimaschutzbotschafter für Kassel des hessischen Umweltministeriums. Zuvor arbeitete er fast 13 Jahre bei der SMA Solar Technology AG, wo er als Architekt und Projektmanager mit der Leitung eines Leuchtturmprojektes für nachhaltiges Bauen startete: der stromnetzunabhängigen Günther Cramer Solar Academy.

Rechenzentren benötigen Strom für die Milliarden an Daten. Auch wird eine große Menge an Energie zum Kühlen dieser Server verbraucht. Für IT-Anwendungen und Geräte werden dadurch jährlich ca. 800 Mio. Tonnen CO2 emittiert. SMA legte bereits bei dem Bau seines Rechenzentrums Wert auf eine ressourcenschonende Lösung. Zudem basiert die Stromversorgung hier schon lange auf einer CO2 neutralen Basis, mit einem ständig wachsenden Anteil an regionalem, dezentralen erneuerbaren Energien. Auch wurde die Serverleistung immer mehr reduziert. Das Unternehmen setzt verstärkt auf Cloud-basierte Lösungen. Nachhaltige Rechenzentrumskonzepte umfassen den Einsatz von besonders energieeffizienten Systemen, betrachten Betriebs- und Energiekosten als Parameter für die Einkaufsentscheidung, berücksichtigen Ressourceneffizienz bei der Konzeption und Planung, setzen auf erneuerbare Energien und Schadstoffvermeidung sowie Klimaneutralität.

Der gesamte Digitalverkehr im Internet verbraucht so viel CO2 wie der Flugverkehr.

Diese Meldung hat Matthias Schäpers doch sehr erstaunt, da meistens kommuniziert wird, dass Digitalisierung bei der effizienteren Nutzung von Ressourcen hilft. Auch das Streamen von Filmen verbraucht ca. 300 Mio. Tonnen CO2 jährlich. Das entspricht einem Prozent der weltweiten CO2. „Wir sehen die Auswirkungen der Digitalisierung nicht, die Emissionen entstehen weit weg von uns. Aber einen einfachen Beitrag kann jeder von uns leisten“, so der Nachhaltigkeitsexperte, der hier ein paar Anregungen gibt, die jeder beherzigen kann:

• E-Mail-Postfach regelmäßig leeren

• zum Archivieren möglichst altbewährte Speichermedien wie CDs, DVDs oder externe Festplatten nutzen

• Newsletter abbestellen, wenn sie nicht notwendig sind

• weniger Musik und Filme streamen (oder ein Streaming mit einer geringeren Auflösung) und lieber eine CD oder DVD einlegen

• bei der Wahl des Cloud-Anbieters darauf achten, dass dessen Rechenzentren mit erneuerbaren Energien betrieben werden

• Umstellung der Suchmaschine auf Ecosia.

Grüner surfen

Nachhaltige Suchmaschinen wie Gexsi (spendet 100% des Gewinns für innovative soziale und wohltätige Zwecke) oder Ecosia nutzen die Technik bekannter Suchmaschinen und gelten als genauso sicher. Die in Berlin sitzende Öko-Suchmaschine Ecosia ist eine kostenfreie und umweltfreundliche Suchmaschine. Der CO2-Ausstoß der Server wird mit Zertifikaten für erneuerbare Energien ausgeglichen. Fast 80% der Werbeeinnahmen werden in Aufforstung, regenerative Landwirtschaft und Solaranlagen. In seiner eigenen Statistik kann der Nutzer sehen, wie viele Bäume schon durch die eigenen Klicks gepflanzt wurden. Schäpers möchte auch Unternehmen ermutigen, ihre Mitarbeiter zu einem nachhaltigeren Umgang mit Ressourcen zu bewegen und umgekehrt das Potential der Mitarbeiter nutzen. So wurde die Idee, die Suchmaschine Ecosia als Standardsuchmaschine bei SMA zu nutzen, von mehreren Kollegen eingebracht. Mit den Suchanfragen werden hier durch Ecosia jährlich über 125.000 Bäume gepflanzt. Seit Mitte 2018 nutzt auch die Metro AG als Standardeinstellung die Internet-Suche Ecosia, sodass über die Liefer- und Dienstleisterkette eine Treibhausgaskompensation ebenfalls erfolgt.

Weiterführende Informationen

Wie nachhaltig ist die Digitalisierung wirklich? 

Alexandra Hildebrandt: Warum Rechenzentren nachhaltig geplant und gebaut werden sollten. In: In: CSR und Digitalisierung. Der digitale Wandel als Chance und Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. 2. Auflage. SpringerGabler Verlag, Heidelberg Berlin 2021.

Klimawandel in der Wirtschaft. Warum wir ein Bewusstsein für Dringlichkeit brauchen. Hg. von Alexandra Hildebrandt. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2020.

Olaf Schulze: Energie für den Handel – Herausforderungen für Unternehmen und Politik. In: CSR und Energiewirtschaft. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. 2. Auflage, Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2019

_____________________________________

Artikel von Dr. Alexandra Hildebrandt
Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widmet sich Dr. Alexandra Hildebrandt den Visionären von heute und den Gestaltern von morgen. Beim Verlag Springer Gabler gab sie 2018 das gleichnamige Managementbuch sowie die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement heraus.

Diesen Beitrag teilen